«Gleich. Aber jetzt — wenn Sie so lange hierbleiben wollen — mochte ich erst an Deck gehen. Ich mu? mit Allday uber eine Angelegenheit sprechen, die sich nicht aufschieben la?t. «Er hangte den Sabel wieder an seinen Haken und ging zur Tur.
Als sie sich hinter ihm schlo?, stie? Lambe hervor:»Mein Gott, wie kann er so ruhig bleiben, wenn sein Kopf auf dem Spiel steht?»
Herrick sagte:»Das habe ich mich schon oft gefragt. «Er dachte an Bolithos Augen und das Leid, das dahinter verborgen lag, als er ihnen seine Gedanken entwickelt hatte.»Die Antwort wei? ich immer noch nicht.»
Weniger als eine Stunde spater, als die Glocke auf der Back gerade zwei Glasen anschlug, ging Bolitho langsam aufs Achterdeck und lehnte sich einen Augenblick an die Reling. Die Sonne warf scharfe Schatten der Rahen und Wanten aufs Deck. Auf der anderen Seite der Bucht sah er ein leichtes Krauseln des Wassers, das sich ihnen naherte und eine frische Brise als Milderung der Nachmittagshitze versprach.
Im Schiff war es seltsam ruhig, aber er blieb sich der ihn beobachtenden Seeleute auf der Laufbrucke und oben in der Takelage bewu?t, die dem kommenden Schauspiel gespannt entgegensahen.
Mitten auf dem Hauptdeck standen, umgeben vom scharlachroten Karree der Seesoldaten, die ausgewahlten franzosischen Gefangenen. Ihre Gesichter druckten Neugier und Furcht aus, als sie auf die einsame Gestalt an der Querreling blickten.
Hauptmann Dawson kam uber das Deck und fa?te zur Ehrenbezeigung kurz an seinen Hut. Sein gerotetes Gesicht war finster und druckte gleichzeitig Besorgnis aus.
«Fertig, Sir.»
«Sehr gut.»
Bolitho hielt das Gesicht der aufkommenden Brise entgegen und holte tief Luft. Hinter sich horte er schwere Schritte, und als er sich umdrehte, sah er Farquhar, begleitet von einem Seesoldaten, und zwischen ihnen den franzosischen Kommandanten. Er war schon alt fur seinen Rang, machte aber den Eindruck, als ob er etwas konne und viel Selbstbeherrschung besitze. Vor allem schien er, wie Farquhar es beschrieben hatte, ein harter Mann zu sein.
«Sprechen Sie englisch, Kapitan?«Bolitho sah ihn an, seine Stimme war ruhig, aber er spurte Trockenheit in der Kehle angesichts der zahllosen stummen Zuschauer.
«Wie's beliebt. «Kapitan Poulain beobachtete ihn ebenfalls aufmerksam.»Aber dem, was ich Ihrem jungen Offizier gesagt habe, ist nichts hinzuzufugen.»
Bolitho nickte.»Aha. Sie meinen den jungen Offizier, der Ihnen Ihr Schiff abnahm. Ja, ich verstehe.»
Poulains Augen warfen argerliche Blitze.»Ich werde nichts mehr sagen. Ich kenne meine Rechte und den Ehrenkodex, den Sie in Ihren angekrankelten Seelen so hoch halten.»
Bolitho sah, wie Dawson sich auf die Lippen bi?, fuhr aber ruhig fort:»Ich ziehe es vor, Fragen der Ehre nicht mit Ihnen zu diskutieren. Ich wurde unterrichtet, da? die Spartan beim Durchfahren der Riffe von Pascua die Reste des hollandischen Schoners Fauna entdeckte. Von Ihren Kanonen zerschossen, glaube ich, als er zu entkommen versuchte.»
Poulain betrachtete ihn kuhl.»Es ist Krieg. Da bleibt keine Zeit fur Gefuhlsduseleien.»
«Aber die Fauna war unbewaffnet und hatte nur harmlose Fischer und ihre Familien an Bord. «Bolitho verschrankte die Finger hinter sich, um sich kein Zeichen der Gemutsbewegung zu gestatten.»Ich wiederhole also: es hat keinen Zweck, mit Ihnen uber Ehre zu diskutieren.»
«Dann mochte ich an Land gebracht werden. «Poulains Mund verzog sich zu einem uberlegenen Lacheln.»Zweifellos wird man mich gegen einige der vielen Gefangenen, die mein Land gemacht hat, austauschen.»
Bolitho nickte.»Zweifellos, Kapitan. Aber zuvor ist da noch eine Kleinigkeit, die ich von Ihnen erklart haben mochte. «Er sah den Franzosen durchdringend an.»Ich mochte den Treffpunkt wissen, zu dem Sie nach Abschlu? Ihrer Reparaturen befohlen sind. Damit meine ich: wo plant Vizeadmiral Lequiller seinen nachsten Angriff?»
Einen Moment sah er in den Augen des Franzosen Uberraschung aufblitzen. Dann fiel die Klappe, und sein Ausdruck wurde so beherrscht wie zuvor.
«Ich wei? gar nichts. Und wenn ich etwas wu?te, wurde ich es Ihnen nicht sagen.»
«Wir sind uns beide daruber klar, da? Sie lugen. «Bolitho spurte, wie ihm der Schwei? uber Brust und Rucken lief. Das Hemd klebte ihm auf der Haut, als er fortfuhr:»Lequiller verlie? die Gironde mit ganz bestimmten Befehlen. Er fuhrte den ersten Teil dieser Befehle bei Las Mercedes aus und als er die San Leandro kaperte. Nun mochte ich wissen: Wie lauten die ubrigen Befehle. Nichts weiter.»
«Sie sind ein Narr!»
Bolitho horte Inch nach Luft schnappen und sah, wie einer der Seesoldaten argerlich mit seiner Muskete hantierte.
Er ging auf die andere Seite des Achterdecks. Die Sonne brannte ihm auf die Schultern, er fuhlte sich schwach, und ihm war ubel nach dem Brandy auf leeren Magen, aber er zwang sich, langsam zu gehen, da er sich des Schweigens ringsum und der Zuschauer bewu?t war.
«Mr. Tomlin, raumen Sie die Backbord-Laufbrucke!«Er brauchte die Stimme nicht zu heben, denn die betroffenen Manner traten von allein auf die Back zuruck, als hatten sie Angst, das Schweigen zu brechen.
Ohne den Kopf zu wenden, fuhr Bolitho fort:»Nun, Kapitan Poulain, ich werde jetzt einen Ihrer Leute erschie?en. Oder hinrichten, wenn Ihnen dieser Ausdruck genehmer ist. «Seine Stimme wurde harter.»Vielleicht erinnern Sie sich unserer Gefangenen, die auf dem Flaggschiff Ihres Admirals aufgehangt wurden. Das mag Ihnen helfen, eine Entscheidung zu fallen.»
Zwei Seesoldaten kamen die Backbord-Laufbrucke entlang, und ihre Waffenrocke gluhten im strahlenden Sonnenlicht blutrot. Zwischen sich fuhrten sie einen Mann in der Uniform eines franzosischen Steuermannsmaaten. Ihm waren die Augen verbunden und die Hande auf dem Rucken gefesselt.
Der Leutnant der Seesoldaten kam nach achtern und meldete formlich:»Gefangener vorgefuhrt, Sir.»
«Sehr schon, Mr. Hicks. «Bolitho streckte die Hand aus.»Eine Pistole, bitte!»
Dann schritt er ruhig, die Pistole lose an der Seite, die Lauf brukke entlang, uber die Zwolfpfunder hinweg und an den aufgereihten Booten vorbei. Auf halbem Wege drehte er sich um und schaute zur Gruppe auf dem Achterdeck zuruck, doch wegen der unertraglichen Spannung, in der er sich befand, sah er sie nur verschwommen.»Nun, Kapitan Poulain?»
«Man wird Sie dafur eines Tages zur Rechenschaft ziehen!«Pou-lain wollte einen Schritt vorwarts machen, wurde aber von den Seesoldaten zuruckgehalten.»Und Sie wollen Kapitan sein? Sie sind es nicht wert, da? Sie leben!»
Bolitho drehte sich schnell um, und wahrend die Seesoldaten beiseite traten, hob er die Pistole und feuerte. Der scharfe Knall lie? mehr als einen Seemann vor Schreck aufschreien. Der Mann mit den verbundenen Augen fiel gegen die Netze zuruck und sank dann schwer zu Boden. Seine Beine schlugen noch einmal kurz aus, dann lag er still.
Bolitho wandte sich wieder dem Achterdeck zu. Der Qualm aus der Mundung der Pistole trieb an ihm vorbei, als er den franzosischen Kapitan einige Sekunden lang beobachtete.
Poulains Stimme klang, als wurde er erwurgt.»Frankreich wird das nicht vergessen. Sie sind ein Schlachter. Aber Sie konnen mich und alle meine Leute erschie?en, es wird Ihnen nichts nutzen!«Er kampfte gegen den festen Griff der Seesoldaten.»Ich spucke auf Sie und Ihr Schiff!«Dann wandte er sich um, als zwei weitere Seesoldaten vorn auf der Laufbrucke erschienen.
Bolitho beobachtete sein plotzliches Entsetzen und sagte:»Nicht alle Ihre Leute, Kapitan, sonder nur Ihren Sohn!»
Er winkte Leutnant Hicks, als der junge Franzose, ebenfalls mit einer Binde vor den Augen, herangefuhrt wurde und die Gruppe bei der regungslos daliegenden Gestalt des anderen anhielt.
«Eine neue Pistole, Mr. Hicks!«Als sie ihm gereicht wurde, mu?te er sie mit aller Kraft packen, damit sie nicht zitterte.
«Sie haben eine Minute Bedenkzeit. «Er hob die Pistole und visierte uber den Lauf hinweg die Brust des franzosischen Leutants an, wahrend das ubrige Schiff und die reglos dastehenden Seeleute wie im Nebel vor ihm verschwanden. Sehr bedachtig spannte er den Hahn. Ein Seesoldat zuckte bei dem Gerausch zusammen, als ware er getroffen worden.